Kinderfotos im Netz

Vielen Eltern graut es davor, Kinderbilder im Internet zu veröffentlichen. Zu groß ist die Angst vor einem Missbrauch der Motive. Unsere Gastautorin Leonie Lutz erläutert in ihrem Ratgeber, was es bei der Verwendung von Kinderfotos im Netz zu beachten gibt und welche Fragen sich Eltern stellen sollten.

Ein kontrovers diskutiertes Thema

Bei keinem Thema im Internet gehen die Meinungen so stark auseinander wie bei "Kinderfotos im Netz". Viele Prominente wie z. B. Amira und Oliver Pocher setzen ihre Reichweite aktuell dafür ein, Eltern darauf aufmerksam zu machen, wie gefährlich es sein kann, Kinderbilder zu teilen. Die Berliner Bloggerin Toyah Diebel hat sogar eine Online-Petition ins Leben gerufen.

Die Kritiker werden lauter und das ist gut so. Denn nur, wenn das Thema besprochen und beleuchtet wird, können Familien ihren eigenen Weg zum Umgang mit Kinderfotos im Netz finden.

Für meine Arbeit bei "Kinder digital begleiten" habe ich Studien und Empfehlungen gelesen, Eltern befragt, die Kinderfotos teilen, mit Polizisten gesprochen und mich selbst auf die Suche gemacht, welche Wege Fotos im Internet gehen. Und: Ich habe auch mein eigenes Verhalten in Bezug auf Kinderfotos im Netz verändert.

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Unsere Gastautorin Leonie Lutz ist Redakteurin, Bloggerin und Gründerin von "Kinder digital begleiten". Die Mutter von zwei Töchtern schreibt für die DEVK darüber, wie Eltern ihre Kinder in der digitalen Welt begleiten und schützen können.

Leonie Lutz

Gastautorin

Kinderfotos im Netz als Chance

Im Zuge meiner Recherchen habe ich festgestellt, dass wir die Diskussion nicht so schwarz-weiß führen sollten. Man stelle sich ein Internet ganz ohne Kinderbilder vor. Auch ein seltsamer Gedanke, oder? Kinder sind immerhin Teil unserer Gesellschaft.

Kinderfotos im Netz können auch ein wichtiger Aspekt für Aufklärungsarbeit sein. So haben mir zwei Mamas berichtet, deren Kinder Trisomie 21 haben, was sie mit den Bildern zeigen möchten: "Auch mein Kind hat ein Recht auf Leben! Ihr Leben ist lebenswert!" Für diese Frauen ist es wichtig, Bilder zu teilen, weil es eine Chance ist, Berührungsängste zu nehmen. Auch führt das Posten der Bilder ihrer Kinder zum Erfahrungsaustausch. Das wiederum hilft anderen Eltern, deren Kinder ebenfalls Beeinträchtigungen haben.

Und deshalb ist eine schwarz-weiße Diskussion hier fehl am Platz. Es gibt mehr als nur "Pro" und "Kontra" und es braucht einen gesellschaftlichen Mittelweg, der Eltern nicht per se verurteilt, nur weil sie ein Foto ihres Kindes posten.

Warum haben Kinderbilder im Netz eigentlich so viele Gegner?

Nun kann es passieren, dass Bilder, die einmal im Netz sind, nie wieder gelöscht werden können, weil Datensauger sie längst von einem Instagram-Profil abgezogen und auf neue Seiten hochgeladen haben. Diese Fotos können dann für einen Identitätsdiebstahl genutzt werden. Besonders kritisch sind aber auch technische Verfahren und Täter, die konkret in fremden Social Media Accounts wildern, "süße Kinderfotos" abspeichern, sammeln und an anderer Stelle wieder hochladen.

Knifflig wird es für Eltern, deren veröffentlichte Kinderfotos bei Instagram geklaut werden. Ich mache das mal an einem Beispiel fest: Mama Andrea postet im Januar 2020 ein Foto von ihrem zweijährigen Jungen. Ihr Instagram-Account ist öffentlich. Durch Zufall findet sie das Bild Monate später auf anderen Accounts. Darunter auch auf Seiten von Shops außerhalb Deutschlands, die mit dem Bild ihres Kindes Werbung machen. Auf Nachrichten erhält sie keine Antwort, das Bild ihres Sohnes wird immer weiterverbreitet. Sie meldet die Bilder bei Instagram und tritt mit der Plattform in Kontakt, immerhin ist es ihr Kind. Das Foto hat sie selbst gemacht. Somit verletzen diejenigen, die das Bild nun auf ihren Seiten posten, gleich mehrere Rechte.

Das Prozedere bei Instagram ist langwierig, und schließlich muss Mama Andrea nachweisen, dass sie wirklich die Mutter ist. Sie ist in der Beweispflicht! Instagram fordert nun die Geburtsurkunde ihres Kindes und ein Foto ihres Personalausweises an. Nur damit gelingt es ihr, die Bilder löschen zu lassen.

Mit Emojis Gesichter schützen

Nun schützen viele Eltern die Bilder ihrer Kinder, indem sie zum Beispiel Emojis über dem Gesicht des Kindes platzieren. Das kann vielleicht kurzfristig helfen, wie nachhaltig dieser Schutz ist, bleibt fraglich. Künstliche Intelligenz hat viele Methoden, um Ursprungsbilder zu entschlüsseln.

Eine Mutmaßung: Es könnte eventuell nur noch eine Frage der Zeit sein, bis man mit einem Klick Emojis auf Kinderfotos entfernen kann.

Wie ist die rechtliche Situation?

Auch Kinder besitzen das Recht am eigenen Bild, ihr Persönlichkeitsrecht:

  • Das Persönlichkeitsrecht wird bei Kindern bis 7 Jahren ausschließlich vom Erziehungsberechtigten wahrgenommen (§104 BGB).
  • Zwischen dem 8. und 17. Lebensjahr entscheiden Eltern gemeinsam mit ihren Kindern (§106 BGB).
  • Ab dem 14. Lebensjahr haben Kinder die Einsichtsfähigkeit erreicht und können selbst entscheiden (BGB). Laut Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) muss man Kinder spätestens bis zum Alter von 16 Jahren fragen, ob ein Bild gepostet werden darf.

Das Deutsche Kinderhilfswerk hat im Jahr 2019 die Kampagne #DenkenFragenPosten (www.dkhw.de) ins Leben gerufen. Sie enthält viele Tipps für Eltern, die nach dem Alter des Kindes sortiert sind.

Das Kinderhilfswerk sagt, dass es okay ist, Alltagsmomente mit Kindern festzuhalten. Und es ist auch okay, diese Fotos mit anderen zu teilen. Es ist aber nicht okay, wenn dabei die Rechte von Kindern auf Privatsphäre, Schutz und Beteiligung verletzt werden.

Kinderfotos im Netz sind nicht nur ein Erinnerungsalbum mit Blick auf die schönen Dinge und kleine Ausschnitte aus dem Familienalltag. Kinderfotos im Netz stehen auch für Austausch und Aufklärung. Welche Wege diese Bilder gehen, darauf haben wir keinen Einfluss. Deshalb besteht bei Kinderfotos im Netz immer die Gefahr, dass sie missbraucht werden. Um Kinder vor diesem Missbrauch zu schützen, sollte genau abgewogen werden, welche Fotos man im Internet und bei WhatsApp teilt.

Verzichten sollten Eltern auf das Posten von Bildern mit diesen Motiven:

  • verschmutzte, mit Essen beschmierte Kinder
  • schlafende Kinder
  • Kinder in Notsituationen (z. B. im Krankenhaus, im Krankenbett oder beim Arzt)
  • Kinder in Badebekleidung, am Strand, im Pool oder in der Badewanne
  • ängstliche, weinende und wütende Kinder
  • intime Momente (z. B. Töpfchen-, Windel- und Toiletten-Bilder)
  • Bilder, die verletzliche Daten wie Standorte, Klarnamen der Kinder, Schul-, Kita- und Wohnort preisgeben

Jede Familie ist gefragt

Abschließend lässt sich sagen, dass Kinder Teil unserer Gesellschaft sind und sie auch Teil des Internets sein dürfen. Die Frage muss also lauten: Wie sind oder werden sie es? Die Antwort kann jede Familie nur für sich selbst finden.